Wie erkenne ich eine sichere Narkose?
Als Kleintierbesitzer:in kommt man irgendwann nicht mehr um das Thema herum: das geliebte Haustier soll in Narkose gelegt werden. Sei es wegen eines Routine-Eingriffes wie einer Zahnsanierung oder Kastration, zu diagnostischen Zwecken (z. B. bei einem CT), oder in der Notsituation. Jede Narkose birgt ein Risiko – und dieses gilt es zu minimieren. Denn Narkose ist nicht gleich Narkose! Eine sichere Narkose muss einige Kriterien erfüllen, die dem Otto-Normal-Tierbesitzer meist gar nicht so richtig klar sind. Die folgende Checkliste (auch zum Download bereitgestellt) stellt eine Hilfestellung dar, um die Qualität des Narkoseregimes einer Tierarztpraxis auch als Laie beurteilen zu können. Wer noch tiefer in die Materie eintauchen möchte, dem seien an dieser Stelle die Leitlinien für die anästhesiologische Versorgung bei Hund und Katze empfohlen.
Checkliste für eine gute Narkose
Anamnese & Untersuchung: Erhebung der Krankengeschichte inkl. Vorerkrankungen, Medikamenten und Gewicht. Ausführliche Klinische Untersuchung vorab und am OP-Tag.
Risikoeinschätzung: Korrekte Einstufung nach ASA-Stadien (Narkoserisiko-Stadien) zur individuellen Narkoseplanung.
Labor & Aufklärung: Blutuntersuchung zur Abschätzung der Leber- & Nierengesundheit und zum Finden anderer Grunderkrankungen (v.a. bei älteren/kranken Tieren). Ausführliche Narkoseaufklärung für Tierhalter:innen.
- Venenzugang: Wichtig für Notfallmedikamente und Infusion.
- Intubation: Atemwegssicherung und für ggf. Sauerstoff oder Inhalationsnarkose.
Analgesie: Schmerzmittel vor, während und nach der OP.
Notfallmedikamente bereitstellen, Dosierungen auswendig.
Fachpersonal: Speziell geschulte Person ausschließlich für die Anästhesie zuständig.
Wärmemanagement: Wärmematte oder ähnliche Vorkehrung.
Flüssigkeitsmanagement: individuell berechnete Infusion in die Vene.
Überwachung manuell: Schleimhäute, Puls, Atmung, Herz-/Lungenauskultation.
- Dokumentation: Narkoseprotokoll wird angefertigt.
EKG (elektrische Herzaktivität monitoren)
Blutdruckmessung
Pulsoxymetrie (Sauerstoffsättigung monitoren)
Kapnographie (Beurteilung der Atmung)
Temperaturmonitoring
Nachsorge: Betreuung bis vollständigem Erwachen und Nachkontrolle in den Folgetagen.
Alle hier genannten Punkte sind extrem wichtig, um Narkosezwischenfälle zu vermeiden und / oder frühzeitig zu erkennen, um reagieren zu können. Ein unterkühlter Patient beispielsweise verstoffwechselt die Narkose ganz anders als ein Patient mit Normaltemperatur. Ein EKG alleine liefert nicht alle nötigen Informationen über die Herzaktivität, da es nur die elektrische Aktivität des Herzens zeigt, nicht jedoch die Pumpleistung – dafür ist dann die Blutdruckmessung ergänzend wichtig. So greifen alle Monitoring-Maßnahmen ineinander und das A & O bleibt ein geschultes, spezialisiertes Personal. Jede Narkose ist nur so gut wie der Anästhesist. Dies gilt auch für die Tiermedizin
Ein Antibiotikum sollte nicht mehr standardmäßig bei jedem Eingriff verabreicht werden (siehe Artikel zu Antibiotikaresistenzen).
Nicht in jedem Fall ist eine Inhalationsnarkose notwendig. Im Gegensatz zur Injektionsnarkose, bei der die Nasrkosemedikamente alle gespritzt werden, bietet die Verwendung von Narkosegas jedoch den Vorteil, dass das Gas extrem gut steuerbar ist und die Narkose blitzschnell vertieft oder abgemildert werden kann.
Red Flags
- Sehr günstige Preise für eine OP – meist entstehen diese durch ein mangelhaftes Narkoseregime
- Keine Untersuchung des Patienten vor der OP
- Der Chirurg / die Chirurgin macht gleichzeitig die Narkose
- Verzicht auf Venenzugang (nur „Spritze in den Po“)
- Verzicht auf Atemwegssicherung mit Tubus, vor allem bei Zahnsanierungen (hierbei ist die Gefahr, dass Zahnstein und schmutziges Wasser in die Lunge gelangen besonders hoch)
- Schlafender Patient wird mit nachhause gegeben
- „Das haben wir immer schon so gemacht“
- „In dem Alter können wir keine Narkose mehr machen.“
Wenn einer dieser Punkte zutreffen sollte, empfiehlt es sich, zunächst kritisch ins Gespräch zu gehen und anschließend bei ausbleibender Einsicht schnellstmöglich das Weite zu suchen.
Fazit: Eine gute Narkose ist teuer und aufwendig, ermöglicht aber eine extrem starke Senkung des Risikos. Mit einem adäquaten Narkoseregime ist es heutzutage Dank ausgeklügelter Narkoseprotokolle möglich, so gut wie jeden Patienten – und sei er noch so multimorbide – schlafen zu legen. Natürlich immer nach einer sinnvollen Nutzen-Risiko-Abwägung. „Den können wir nicht mehr in Narkose legen“ ist in den allermeisten Fällen nur das Eingeständnis eines suboptimalen Narkosemanagements.
Fragen & Anmerkungen gerne in die Kommentare. Anbei die vollständige Checkliste nochmal als Foto zum screenshotten.
